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Was ist Plasmanitrieren? Wie entsteht eine Nitrierschicht?

Was ist Plasmanitrieren? Wie entsteht eine Nitrierschicht?

Plasmanitrieren ist ein thermochemisches Diffusionsverfahren zum Randschichthärten. Dabei wird die Randschicht eines Werkstückes oder Bauteiles mit Stickstoff angereichert. Hierdurch bildet sich auf der Bauteiloberfläche und im oberflächennahen Bereich eine Verschleiß- und Korrosionsschutzschicht.

Das Plasmanitrieren findet bei sehr niedrigen Temperaturen statt, daher ist es ein extrem verzugsarmes Verfahren zum Oberflächenhärten.

Expertenwissen zum Thema

Die Nitrierschicht

Die Nitrierschicht besteht in Abhängigkeit vom Stickstoffpotential und der Temperatur aus unterschiedlichen Bereichen. Ausgehend vom Grundwerkstoff erreichen wir zunächst die Diffusionszone, innerhalb der der Stickstoffgehalt mit Annäherung an die Oberfläche ansteigt. Dieser Zone schließt sich die Verbindungsschicht an, die wiederum aus 2 Phasen bestehen kann: dem γ’ -Nitrid mit der Zusammensetzung Fe4N mit hexagonaler Struktur und dem stickstoffreicheren ε -Nitrid der Zusammensetzung Fe2-3N mit kubisch flächenzentrierter Gitterstruktur.

Metallografischer Schliff einer plasmanitrierten Verbindungsschicht auf 16MnCr5

Abb. 1: Metallografischer Schliff einer plasmanitrierten Verbindungsschicht auf 16MnCr5

Verbindungsschichtaufbau (schematisch)

Abb. 2: Verbindungsschichtaufbau (schematisch)

Wie aus dem Zweistoffsystem Fe-N ersichtlich ist beträgt die maximale Stickstofflöslichkeit im α - Eisen bei 592 °C circa 0,115 Masse -%. Mit zunehmendem Stickstoffgehalt bildet sich die γ’ - Nitridschicht, deren Stickstoffgehalt 5,7 bis 6,1 Masse -% beträgt. Bei einem Stickstoffgehalt von 7,7 bis 11,1 Masse -% kommt es zur Bildung der ε -Nitridschicht [1]. Außerdem existiert noch eine ζ -Phase mit einem Stickstoffgehalt von ca. 11,4 Masse -%, der jedoch keine technische Bedeutung zukommt.

Zustandsschaubild Eisen-Stickstoff

Abb. 3: Zustandsschaubild Eisen-Stickstoff [2]

Entstehung, Aufbau und Gefüge von Nitrierschichten

Zur Erzeugung einer Nitrierschicht muss Stickstoff aus der Umgebung in den zu nitrierenden Werkstoff aufgenommen werden. Die Diffusion von Stickstoff in den Werkstoff erfordert das Vorhandensein erhöhter Temperatur. Nitriert werden Eisenwerkstoffe bei Temperaturen von 400 bis 630 °C [3], Titanwerkstoffe bei 600 bis 800 °C [4]. Der untere Wert ergibt sich aus ökonomischen Gründen, da die Behandlungszeiten bei zu geringer Temperatur auf Grund verlangsamter Diffusion nicht mehr wirtschaftlich sind. Der obere Wert ergibt sich im Falle des Eisens aus der Thermodynamik der Bildung der Braunitphase, die üblicherweise auf Grund ihrer mechanischen Eigenschaften unerwünscht ist, sowie beim Titan vor allem auf Grund der Maß – und Formstabilität. Allen Nitrierverfahren ist gemein, dass der Stickstoff, nachdem er an die Oberfläche gelangt ist, interstitiell im Kristallgitter eingebaut wird und über Zwischengitterplätze weiter ins Werkstückinnere diffundiert. Das Fe-N-Gleichgewichtsphasendiagramm (Abb. 2) beschreibt die dabei in Abhängigkeit von Temperatur und Stickstoffpotential entstehenden Phasen im Detail. In unlegierten Stählen werden beim langsamen Abkühlen von Nitriertemperatur auf Raumtemperatur grobe γ´ - und submikroskopische α´´ Nitride (Fe16N2 bzw. Fe8N) ausgeschieden. Durch Aufnahme von Stickstoff in vorhandene Zementitausscheidungen entstehen Carbonitride oder Nitrocarburide der Form Fe2(N,C)1-x [5].
In legierten Stählen bildet der eindiffundierende Stickstoff mit vorhandenen Nitridbildnern fein submikroskopisch ausgeschiedene kubisch flächenzentrierte Nitride. Im Gefüge vorhandener Zementit oder Carbide anderer Legierungselemente nehmen ebenfalls Stickstoff auf, wodurch es zur Carbonitridbildung kommt [3].
Erreicht die Stickstoffkonzentration einen Wert von 6 Masse -%, so kommt es zur Keimbildung von γ´ -Ausscheidungen an vorhandenen Keimstellen. Ausgehend von den Keimstellen breiten sich diese über die gesamte Oberfläche aus. Auf den γ´ -Nitriden bilden sich bei Erreichen einer Stickstoffkonzentration von 7,7 Masse -% auch ε -Nitride, die sich dann ebenfalls über die gesamte Oberfläche ausbreiten.

Schematischer Verlauf des Schichtwachstums beim Nitrieren/ Nitrocarburieren von Reineisen

Abb. 4: Schematischer Verlauf des Schichtwachstums beim Nitrieren/ Nitrocarburieren von Reineisen

Im weiteren Verlauf des Nitriervorgangs nimmt die Dicke der Nitrierschicht zu, wobei die Wachstumsgeschwindigkeit mit zunehmender Dauer durch die immer stärkere Diffusionsbehinderung sinkt [5,6,7].
Zusätzlich kann Kohlenstoff in die Verbindungsschicht eingebaut werden. Dieser wird dem Werkstoff aus dem Reaktionsmedium und dem Grundmaterial zugeführt. Man erhält Nitridschichten entsprechend dem Dreistoffsystem Fe-C-N (Abb. 5)

Dreistoff-Zustands-Schaubild Fe-C-N, Schnitt bei 575 °C

Abb. 5: Dreistoff-Zustands-Schaubild Fe-C-N, Schnitt bei 575 °C [8]

Interessant ist dabei, dass es die Möglichkeit gibt, dichte ε -Nitridschichten bei geringen Stickstoffgehalten zu bilden, da der Kohlenstoff die ε -Phase stabilisiert. Während beim Salzbadnitrocarburieren grundsätzlich Kohlenstoff zugeführt wird, kann dies beim Gasnitrieren und beim Plasmanitrieren über die Gaszusammensetzung gesteuert werden. Als Kohlenstoffspender dienen CO2 oder CH4.

[1] DIN EN 10 052, Begriffe der Wärmebehandlung von Eisenwerkstoffen, Ausgabe 1994- 01.[2] Wriedt,H.A., Gokcen, N.A., Nafziger R.H.:The Fe-N-System, Bulletin of Alloy Phase Diagrams, 1987, Vol.8, No4, S. 355/77.[3] Liedtke, D.: Wärmebehandlung von Eisenwerkstoffen Nitrieren und Nitrocarburieren, 3. Auflage, Expert Verlag, Renningen.[4] Preißner, F.; Minarski, P.; Mayr, P.; Hoffmann, F.: Hochdrucknitrieren von Titanwerkstoffen, Härterei-Techn. Mitt. 46 (1991)6, S. 361/66.[5] Hoffmann, R.; Mittemeijer, E.I.; Somers, M.A.J.: Verbindungsschichtbildung beim Nitrieren und Nitrocarburieren, Härterei-Techn. Mitt. 51 (1996)3, S. 162/69.0[6] Somers M.A.J.; Mittemeijer E.J: Verbindungsschichtbildung während des Gasnitrierens und des Gas- und Salzbadnitrocarburierens, Härterei-Techn. Mitt. 47 (1992)1, S. 5/13.[7] Hong, D.: Gaseous Nitriding and Nitrocarburising, Thermodynamics and Kinetics, Stockholm, 1994, (Dissertation).[8] Slycke, J.:Thedrmodynamics of Carbonitriding and Nitrocarburising and the Fe-N-C Phase Diagram, Tagungsband AWT-VWT-Tagung Nitrieren und Nitrocarburieren 24.- 26. 4, 1996, Weimar, S. 19/28.