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Mit welchem Verzug muss ich beim Plasmanitrieren rechnen?

Mit welchem Verzug muss ich beim Plasmanitrieren rechnen?

Plasmanitrieren ist dank niedriger Bahandlungstemperaturen besonders verzugsarm. In den meisten Fällen ist nach dem Plasmanitrieren keine Nacharbeit erforderlich und Sie können die Bauteile direkt verbauen – das spart Zeit und Geld!

Expertenwissen zum Thema

Bei der Wärmebehandlung kann eine Maßänderung und/oder eine Formänderung des behandelten Werkstückes auftreten.

Maßänderung bezeichnet die Änderung der Maße ohne Formänderung. Dies ist beim Nitrieren unvermeidbar, da Stickstoff in die Oberfläche des Werkstücks eingebracht wird. Dieses Aufwachsen kann durch eine Vormaßkorrektur kompensiert werden.

Verzug bezeichnet die Änderung der Maße und der Form eines Werkstücks durch Wärmebehandlung. (DIN17014). Ursache für den Verzug können zum einen Restspannungen im Bauteil aus dem Herstellprozess sein, die durch die Wärmebehandlung abnehmen. Zum anderen kann der Verzug in Eigenspannungen begründet sein, die durch die Wärmebehandlung entstehen. Formänderungen können beim Plasmanitrieren unter Einhaltung bestimmter Randbedingungen vermieden werden [1].

Maßänderung Plasmanitrieren

Beispiel Maßänderung

Formänderung Plasmanitrieren

Beispiel Formänderung

Vermeidung von Verzügen

Um Verzüge zu vermeiden sollten die zu nitrierenden Bauteile folgende Kriterien erfüllen:
• sie sollten keine Restspannungen aufweisen
• sie sollten thermisch stabil sein
• es sollten keine Rückstände anhaften, die den Nitrierprozess behindern

Werden Restspannungen während der Behandlung frei oder treten Gefügeumwandlungen während des Nitrierens auf (Anlassvorgänge, Ausscheidungsvorgänge), so können diese alleine zu einer ungewollten Maß- und Formänderung führen. Nicht beseitigte Fertigungsrückstände können zu einer ungleichmäßigen Nitrierschichtausbildung und damit zu Formänderungen führen.

Beim Nitrierprozess selber kann durch die Absenkung der Behandlungstemperatur Formänderungen entgegen gewirkt werden. Gerade beim Plasmanitrieren ist es möglich sehr niedrige Nitriertemperaturen zu wählen. Es ergibt sich jedoch eine wirtschaftliche Grenze, da durch die Wahl einer geringeren Nitriertemperatur die Behandlungszeit zur Erreichung einer bestimmten Nitrierhärtetiefe steigt.

Bei komplexen Geometrien (vor allem bei nicht rotationssymmetrischen Konturen) kann ein partielles Nitrieren des Bauteils einer ungewollten Formänderung entgegen wirken.

Beispiel: Nach einer allseitigen Nitrierung eines Zahnrades (42CrMo4, Nhd> 0,4mm) wurde die Innenkontur dieses Zahnrades unrund. Grund hierfür war die unsymmetrische Querschnittsänderung der Kontur im Nutbereich.

Da der Innendurchmesser nicht hart sein musste, konnte das Formänderungsproblem durch partielles Plasmanitrieren vollständig gelöst werden.

Umgang mit Maßänderungen

Im Fall geometrisch einfacher Bauteile, wie z.B. einer glatten Welle kann man die Maßänderung leicht abschätzen. Die Durchmesserzunahme steigt dabei mit:
• steigender Nitrierhärtetiefe
• dickerer Verbindungsschicht
• höherem Gehalt an Nitridbildnern im Stahl.

Folgende Faustregel kann für die Durchmesserzunahme einer einfachen Welle angenommen werden:

Werkstoff Durchmesserzunahme
bezogen auf die
Nitrierhärtetiefe
Rechenbeispiel
unlegiert und niedrig legiert
wie z.B. C45, 16MnCr5
3,00 % Eine glatte Welle wächst bei einer Nhd von 0,5 mm im Durchmesser um ca. 15 µm
Warmarbeitsstahl wie z.B.
X38CrMoV5.1
5,00 % Eine glatte Welle wächst bei einer Nhd von 0,3 mm im Durchmesser um ca. 15 µm
Hochlegierte Stähle mit >12 %Cr
wie z.B. ein 1.4301
10,00 % Eine glatte Welle wächst bei einer Nitrierhärtetiefe (Diffusionsschichtdicke) von 0,05 mm um 5 µm

Während die Maßänderungen für geometrisch einfache Teile relativ leicht abzuschätzen sind, ist dies bei Teilen mit Querschnittsänderungen oder bei hohlen Bauteilen deutlich komplexer. Ein Rohr kann beispielsweise je nach Behandlungsspezifikation, Wandstärke und Durchmesser wachsen, gleich bleiben oder schrumpfen. Entscheidend hierfür ist der Druckeigenspannungszustand, der sich aus dem Nitrieren ergibt, sowie das Verhältnis aus Nitrierhärtetiefe und Wandstärke des Bauteils. Auch hier ist durch die partielle Behandlung beim Plasmanitrieren eine Optimierung der Maßänderung z.B. durch Abdecken des Innendurchmessers des Rohres möglich. Für uns ist es selbstverständlich, zu Projektbeginn gemeinsam mit Ihnen das Maßänderungsverhalten Ihres Bauteils zu ermitteln und sie so bei der Vormaßkorrektur zu unterstützen. Wir beraten Sie gerne auf dem zu einem nitrierten Bauteil mit optimaler Maß- und Formbeständigkeit!

[1]: Technologie der Wärmebehandlung von Stahl, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 2. Ausgabe 1987 S 71ff